Ist zwar schon ein älterer Thread, und ich weiß auch gar nicht ob
@diemuhkuh hier noch vorbeischaut, aber ich wollte (als "Studierter"
) hier auch noch meinen Senf loswerden.
Viele gute und richtige Dinge sind hier schon gesagt worden, z.B. dass man nicht studieren muss, um später erfolgreich zu sein und Karriere zu machen, oder gar nur Spaß bei der Arbeit zu haben. Auch kotzt es mich an, wenn Akademiker ihre angeblich höhere Bildung vor anderen "niederen Existenzen" raushängen lassen (dabei sollte doch Bescheidenheit und das Achten des Anderen oberes Ziel von Bildung, zumindest von Herzensbildung sein). Aber ein paar Dinge kamen noch nicht zur Sprache, die auch zu dem Bild der "Schieflage" unserer Bildungslandschaft beigetragen haben:
1. Das Ansehen der Haupt- und Realschulen und derer Bildungsabschlüsse (Quali und Mittlere Reife) hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Ursache dafür ist mit eine fehlgesteuerte Bildungspolitik, beginnend in den frühen 1970er Jahren, in der das eigentlich gut gemeinte Motto "Bildung für alle" zu einem Dogma erhoben wurde und über 50% aller Grundschulabgänger nun auf einmal in die Gymnasien drängten. Dies führte neben einer Verflachung der Ansprüche an den Gymnasialbesuch und einem inflationären Vorkommen des Abiturs gleichzeitig zu einer Verarmung und Rufschädigung der Hauptschule, die dann bald den Ruf weg bekam, nur noch dem "traurigen Rest" der geisitg wirklich Minderbemittelten, Leistungsunwilligen und den Kinder mit Migrationshintergrund (die es aus anderen Gründen nicht auf eine höhere Schule schafften) als Sammelbecken zu dienen. Das ist auch der Grund, warum auch heute in Lehrberufen oft lieber auf Abiturienten oder "zumindest" Realschulabsolventen zurückgegriffen wird.
2. Der erst nur "rufmäßige" Abstieg der Hauptschulen wurde Anfang der 1980er Jahre begleitet durch einen tatsächlichen Verfall des Niveaus an diesen Schulen, zumindest was die Ballungszentren und Großstädte betrifft. Hier wirkt sich bis heute die Konzentration von Menschen aus dem Ausland, wie Spätaussiedler, Kontingentflüchtlinge (und nun wahrscheinlich auch der Asylanten) auf Ballungsgebiete aus, mit einer gleichzeitig einhergehenden Ghettoisierung dieser Bevölkerungsgruppen. Es liegt nicht daran, dass diese Kinder irgendwie "dümmer" als andere, deutsche, wären. Sie bekommen nur nicht die gleichen Rahmenbedingungen wie sie. Aus eigener Erfahrung kenne ich einige Familien und Schulen in meiner Nürnberger Umgebung, wo der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund mehr als 80% beträgt. In einem Gespräch mit einem dortigen Lehrer gab er mir zu verstehen, dass er viele der Schüler einfach notenmäßig "durchwinken" müsse, d.h. den Schnitt im Vergleich zu einer Schule auf dem flachen Land um 1 bis 2 Notenstufen niedriger ansetzen müsse, damit am Ende des Schuljahres nicht die meisten sitzenbleiben und er auf einmal doppelt so viele Schüler im nächsten Jahr in der Klasse zu beteuen hat. Was solle er denn sonst machen? Die Eltern interessieren sich nicht für die Schule, und sie sprächen auch kaum Deutsch (es war eine Klasse mit ca. 60% Türken und 30% Russen, nur zwei Kinder waren ansässig deutsch). Die Kinder sind den ganzen Tag auf der Straße, bestenfalls spielen sie noch Fußball, aber lernen jedenfalls nichts. Hier haben wir ein ernstes Problem, da eine Integration so auch in der zweiten Generation nicht stattfindet...
3. Wer sollte meiner Meinung nach studieren? Jedenfalls niemand, der schon beim Gedanken an lange Lernabende gedanklich reißaus nimmt. Lernen, tage- und wochenlangen Büffeln, selbständiges Erarbeiten von Inhalten aus Büchern und Internet gehört einfach dazu. Und wenn einer nicht viel Spaß am Erstellen wissenschaftlicher Arbeiten, an abstraktem Denken (v.a. bei den Naturwissenschaften) und "Durchbeißen" hat, der sollte das lieber nicht anfangen. Auch wenn man nach Beginn des Studiums merkt, dass das Fach sich als etwas anderes entpuppt als man erwartet hat, sollte man spätestens nach dem zweiten Semester entweder das Fach wechseln oder was ganz anderes anfangen. In meinem Jahrgang waren nach 4 Semestern nur noch weniger als die Hälfte dabei, am Schluss vielleicht nur noch ein Drittel. Aber Informatik war damals halt auch so ein Modestudium; kaum dass er einen Amiga bedienen konnte, glaubte macher schon, zum Computerwissenschaftler geboren zu sein...
Natürlich sollte das Fach an sich auch Freude bereiten, und auch die möglichen späteren Berufsbilder, die sich damit verbinden. Ich kenne auch Leute, die nur ein bestimmtes Fach studiert haben, weil sich damit später am meisten Geld verdienen lässt. Aber so einem möchte ich lieber nicht in die Hände fallen, wenn es der Arzt ist, der mich operieren soll, oder der Wirtschaftler, der später mal meine Rente berechnet. Nur Leidenschaft für die Sache bringt auch gute Ergebnisse hervor. Ich will nicht sagen, dass das Studium aus einem Menschen einen reiferen oder gar besseren Menschen macht. Da kenne ich einige, die blieben das Arschloch, das sie schon immer waren (oder entwickelten sich sogar erst dann dazu). Solche Leute scheinen diemuhkuh's Freunde zu sein, die über "niedrigere Bildung" die Nase rümpfen. Auf der anderen Seite passt man bestimmt mit einigen Charaktereigenschaften besser in ein Studium als in eine Berufsausbildung und umgekehrt.
4. Oft wird ja so ein künstlicher Gegensatz aufgebaut, zwischen dem "Theoretiker mit zwei linken Händen", den man lieber keinen Nagel in die Wand hauen lassen sollte, und dem Super-Praktiker, der aber mit höherer Mathematik und Geisteswissenschaften auf Kriegsfuß steht. Ich sehe diese Trennung nicht so deutlich, und darum geht es letzten Endes nicht. Man sollte sich nicht nur fragen "wieviel Geld will ich später verdienen?" (man muss nicht unbedingt studieren, um reich zu werden - ich bins auch nicht, obwohl ich studiert habe), sondern "wie soll mein Leben später aussehen?", "mit welchen Fragen und Problemen will ich mich umgeben?", "welche Vorstellungen und Ziele verfolge ich mit meiner Arbeit?" - und, leider nicht zuletzt in der heutigen Gesellschaft: "will ich mich in einem überwiegend von gleichfalls Studierten geprägten Millieu bewegen?".