Das klingt gut und human - wäre auch mein erster Argumentationsansatz. Als ich dann aber näher darüber nachgedacht habe, fielen sehr schnell Schwierigkeiten auf. Die Grenze zwischen "Freiheit des anderen" und "eigene Freiheit" sind oft schwimmend bzw. vom Befinden des jeweiligen Individuums abhängig. Was für den einen noch erträglich ist, ist für den anderen bereits ein Eingriff. Noch schwammiger dürften die Grenzen bei den "guten Sitten" sein - darunter verstehen unterschiedliche Menschen sehr wahrscheinlich ganz unterschiedliche Dinge. Postet man nun in einem Internetforum, kann man vorher nur nicht prüfen, was für alle potentiellen Leser "erträglich" und was "unerträglich" ist.
Wenn man nun das gesprochene oder geschriebene Wort zugrunde legt und darauf prüft, welche Intention darin liegt, hängt der Ausgang der Prüfung sehr schnell von den Fähigkeiten des Sprechers ab. Ein eloquenter Mensch kann manipulieren, ohne dies geplant zu haben, insofern er andere von sich und seiner Haltung einfach dadurch überzeugt, dass er rhetorisch bewandert ist. Ob seine Haltung sinnvoll oder bis ins Mark logisch ist, ist dabei erst mal zweitrangig. Berichtet er euphorisch und überzeugend von einem Thema, kann das leicht ansteckend auf andere wirken. Da stellt sich dann eben hinsichtlich Voltaires Worten die Frage: Verteidigungswürdige Meinung? Oder Verstoß gegen die Sitten?
In abgeschwächter Form kennt man das Problem ja auch in der PE-Szene: Wenn euphorisch über extreme Trainingsmethoden berichtet wird, birgt das immer die Gefahr, dass das Risiko marginalisiert bzw. die Erfolge überhöht dargestellt werden. Dies wiederum kann andere dazu verleiten, das einfach nachzuahmen – und sich zu verletzen. Wie groß diese Gefahr ist, hängt eben nicht nur vom Leser der Zeilen, sondern auch von den sprachlichen Fähigkeiten des Schreibenden ab.
Die Gefahren der missbräuchlichen Auslegung, oder auch nur der unbewussten Manipulation der Mitmenschen und von deren Beurteilungsvermögen, ist natürlich in einem freiheitlichen System immer gegeben. Solange diese Freiheiten aber gelebt werden, und zwar von den berühmten "mündigen Bürgern", wird es immer zu jeder Meinung, die etwas daneben liegt, auch jemanden geben, der sich dagegen erhebt. Deswegen ist eine offene Diskussions- und Streitkultur auch so wichtig. Schön wäre natürlich (und das ist schon wieder so ein humanistisches Ideal), wenn am Schluss einer solchen Debatte aller "verändert" und aufgeklärter hervorgehen würden und das Verständnis für die Gegenseite gewachsen ist (bzw. die Gegenseite auch gesehen hat, wie haltlos und auf wenig Gegenliebe stoßend ihre Meinung ist). Ich erlebe momentan so eine Schein-Freiheit in Russland, wo alle Medien, sei es Radio, Fernsehen, Internetforen und Presse, gleichgeschaltet sind und die Bürger ein perfektes Propagandakonstrukt erleben, dass sie sehr leicht manipulierbar macht. Das erinnert so gut an die Nazi-Propaganda gegen Juden oder für den "totalen Krieg", wenn auch noch nicht ganz so radikal, wie es damals auch dann vollzogen wurde. Gerade deswegen brauchen wir aber auch die - wenn auch noch so abwegige - andere Meinung, um uns an ihr reiben zu können, ohne sie gleich tot zu brüllen. Ansonsten herrscht zu schnell Friede-Freude-Eierkuchen und "wir haben es verstanden", so wie viele eine "Political Correctness" einfordern. Und Toleranz gestatte ich nur solchen Menschen, die selbst durch ihr Verhalten Toleranz erahnen lassen und nicht schon in Gedankengut und Taten radikalisiert und fanatisiert sind - ich würde also nicht sagen, dass Neonazis oder Schwulenhasser die richtigen Gesprächspartner für eine Diskussion um die Themen "wird Deutschland überfremdet?" bzw. "ist Homosexulität heilbar?" wären...
Zurück zur Pädophilie-Debatte bedeutet dies, dass es sehr schwer sein dürfte, festzustellen, was bloße Wiedergabe der eigenen Meinung ist und was schon in den Bereich der subtilen (und vielleicht gar ungewollten) Manipulation geht. Besonders in den Randbereichen dieses Themengebiets wird das schwierig. Es gibt z.B. asiatische Erotik-Comics und -Zeichentrickfilme, die den Bereich Pädophilie gezielt ansprechen (siehe „Lolicon“, von der „Lolita“ bzw. „Roricon“ direkt in Japan). Fans dieser Erotikrichtung (die gibt es ja durchaus, so schwer das für viele, mich eingeschlossen, nachvollziehbar sein mag), die euphorisch darüber sprechen, wären sicher schwierig einzuordnen. Vertreten sie nur eine Meinung und müssen diese äußern dürfen? Oder rufen sie damit bereits zur Akzeptanz solcher Handlungen oder gar zur Nachahmung auf? Eine ähnliche Grauzone sind wohl auch die Inzest-Pornos, die in der westlichen Welt seit geraumer Zeit Fuß gefasst haben.
Soweit nur mal ein erster Gedankengang von mir zu der Frage, was eigentlich Pädophilie ist und wie weit man darüber sprechen kann.
Solche japanischen Hentais wie Shotacon und Lolicon habe ich mir auch schon angesehen, fand sie größtenteils ziemlich dämlich (wie sagt doch Youtuberin Coldmirror: "Japano-Schlampen: schlampig gezeichnet, schlampig animiert, dumpfe Anime-Scheiße") und nicht wirklich "erotisch". Wer sich daran aufgeilen will, erstmal "bitteschön!". Vieles, was sich im Kopf abspielt, wird in der Realität nie so gelebt (sonst würden auch alle nur noch egoshooter-like mit der Knarre um die Häuser ziehen), und ein gewisser Abreagier-Effekt dürfte auch nicht zu verachten sein.
Was mir neulich auf einer Porno-Seite aufgefallen ist, ist, dass auch im Bereich "Erwachsenenporno" mit diesen Rollen mehr und mehr gespielt und geworben wird: Die Vorschaubilder bestimmter Szenen sind so geschickt gedreht/manipuliert, dass es fast so aussieht, als würde da ein kleines Mädchen (also deutlich unter 18 Jahren) mitspielen, natürlich meist in einer unterwürfigen oder demütigenden Rolle, aber in Wirklichkeit sind die Leute alle vom Augenschein zumindest sichtlich älter und über 18, wenn man sich den Film dann anschaut.
Ist diese Sucht nach "immer jünger" aber nicht auch ein Resultat der Tabuisierung bestimmter Themen, oder dass man den jüngeren Jugendlichen keine aktive Sexualität und Selbstbestimmungsrecht zuschreibt? Oder vielleicht könnte man die Pädophilie-Debatte auch so weiterführen: Ist der Hang nach der sexuellen Dominierung von Minderjährigen (die also noch nicht voll über sich bestimmen können und in Abhängigkeitsverhältnissen stehen) nicht vielleicht auch(!) Ausdruck über eine zunehmende Frustration Erwachsener über das "schwierige" Rollenverhalten un die Anforderungen des Erwachsenen-Sex? Schließlich leben heute ganze Pharma- und Sexspielzeug-Branchen von dem - ich sag mal - sexuellen Leistungsdruck, immer "zu können", immer "zu wollen", und die nach dem heutigen Zeitgeist geförderte Herabwürdigung der (eigentlich) intimen und innigen Begegnung mit einem anderen Menschen, die Sex darstellt, zu einem Sport, der für jeden jederzeit verfügbar ist, nimmt die Würde und Reife aus dem Thema. Es wird ein "Spiel", und dieses Spiel kann man auch mit Jüngeren spielen, es "passiert ja nichts". - Nur mal so ein Gedanke; vielleicht bringt er einen kleinen anderen Aspekt in die Sache.
Ich halte die Entwicklung in der Medizin, vor allem in der Hirnforschung, wo immer mehr psychische Funktionen und Reaktionen auf neurologische und physiologische Ursachen zurückgeführt (oder reduziert?) werden, für sehr gefährlich. Einersits wird es dadurch möglich werden, bestimmte Leiden besser in den Griff zu bekommen und die betroffenen Menschen zu ent-stigmatisieren, andererseits kann es immer öfter als Entschuldigung für falsches moralisches oder kriminelles Handeln herangezogen werden. Ich frage mich immer wieder, warum es das Konstrukt der Gefängnisstrafe mit anschließender lebenslänglicher Sicherheitsverwahrung in einer psychischen Klinik gibt - entweder ist der Mensch Opfer seiner entgleisten Hormone oder seines schlechten Genpools, oder er handelt aus freienm Willen und ist daher für seine Taten voll verantwortlich. Dazwischen gibt es natürlich Grauzonen; man hat bis zu einem gewissen Maß Einfluss darauf, womit man seine Gedanken beschäftigt und welchen Einflüssen man sich aussetzt. Und wenn man im Regen steht, wird man eben nass. Aber der Mensch wird mir in der heutigen Zeit (wie es auch Darty so plakativ beschreibt) als viel zu "mechanistisches Wesen" gesehen: "Du bist pädophil, also scheint in Deinen Gehirn etwas nicht zu stimmen. Wenn man das reparieren kann, Glück für Dich, ansonsten wirst du als unheilbar und unverbesserlich zu ihrer Sicherheit aus der Menschheit entfernt". Das greift schon deshalb zu kurz, weil sich das Urteil in der Öffentlichkeit darüber, was z.B. pervers ist oder nicht, immer wieder wandelt. Um bei der Pädophilie zu bleiben: Bei den antiken Griechen galt sie Knabenliebe als gesellschaftsfähig, und das in einem Land der Kultur, der Denker und Philosophen. Ähnliches mit dem Sklaventum. Waren die nur "noch nicht so weit"? Und wissen wir heute alles besser? Und gibt es heute denn keine "Sklaven" mehr? Dagegen galt früher öffentliche Nacktheit nicht als verwerflich; heute sperren sie solche Leute höchstens noch in FKK-Gelände
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich halte jegliche nicht-einvernehmliche sexuelle Handlungen (auch zwischen Erwachsenen, z.. unter Ausnutzung einer Abhängigkeitssituation) für verwerflich und das gerade bei den Menschen, die am meisten unseren Schutz brauchen, den Kindern. Wenn ich persönlich so einen Kerl erwischen würde, der einem Kind dadurch körperliches oder seelisches Leid zufügt, dem würde ich am liebsten den Pimmel abschneiden! Wir sind heute auch im Verständnis von seelischen Traumata und der psychischen Entwicklung von Kindern weiter als in der Antike und nutzen diese Erkenntnis, um auf die Gefährlichkeit pädophiler Handlungen hinzuweisen. Es ist aber auch z.B. verwerflich (und erzeugt psychische Traumata), wenn männliche Säuglinge beschnitten werden, und das noch ohne Narkose. Und trotzdem ist es "aus religiösen Gründen" erlaubt und akzeptiert.
Gerade bei dem Pädophilie-Thema muss man ja auch beachten, dass es nicht nur kinderschändende Monster gibt, sondern auch Pädophile, die diesen Trieb an sich selbst verabscheuen. Die können also hochgradig humane Ansichten haben, gleichsam aber derartige Gelüste verspüren. Wäre dann wohl der klassische Konflikt zwischen Vernunft und Trieb bzw. Sinnlichkeit. Potentiell sind aber auch sie gefährdet, von ihren Wünschen übermannt zu werden und so zu einer Gefahr für Kinder zu werden. Soll man die auch einfach "ausrangieren"? Manche von denen haben vielleicht höhere moralische Standards als viele andere Menschen, denen wir im Alltag begegnen.
Ich ergänze: Es gibt auch solche, die diesen "Trieb" als anregend und lustvoll erleben, ihn aber nie in die Tat umsetzen würden. Ich halte mich selbst für einen sehr vernünftigen, humanen und anständigen Menschen, trotzdem habe ich manchmal - auch in Punkto Sexualität - Gedanken, die würde ich niemandem auf der Welt zumunten wollen. Ich kucke Pornos, die chon etwas extrem sind. Ich schaue auch Filme, die sich meine Frau nie im Leben ansehen könnte. Aber ich behalte diese Gedanken und Bilder für mich, und ich kann zwischen Fiktion und Alltag sehr wohl unterscheiden...