Was du beschreibst, klingt echt nicht gut. Sollte es zu schlimm werden, ist es keine Schande, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Pandemie zerrt an der psychischen Kraft von allen, wobei ich den Eindruck habe, dass deine Situation nochmal ein wenig schlimmer ist als die des Durchschnittsbürgers. Allerdings ist es derzeit noch schwieriger psychotherapeutische Hilfe zu bekommen, weil der Andrang auf die Psychotherapeuten größer denn je ist.
Meine Situation ist nicht gleich wie deine aber ähnlich. Ich bin Student und seit nun 14 Monaten habe ich keinen Hörsaal mehr von innen gesehen. Ich habe nur geringen Kontakt zu Kommilitonen und sitze den ganzen Tag Zuhause im Büro vor meinen Bildschirmen. Im Gegensatz zu dir habe ich zwar einen Freund, allerdings ist der 12h am Tag im Büro und arbeitet auch am Wochenende fast durchgehend bei uns Zuhause im Büro - de facto verbringen wir trotz Corona weniger Zeit miteinander. Ich weiß gar nicht, ob Paare die soziale Isolation besser oder schlechter bewältigen als Singles - oder einfach nur anders. Wenn mein Freund da ist, sind wir beide froh, wenn wir unser eigenes Ding machen können und uns eher in getrennten Räumen aufhalten. Da immer jemand Zuhause ist, fehlt die Privatsphäre und geht sich gegenseitig auf die Nerven. So habe ich mir eigentlich immer ein altes Ehepaar vorgestellt, das sich bereits alles gesagt hat. Das lässt nicht nur an mich selbst zweifeln sondern auch an meinem Partner und unserer Beziehung - und das obwohl ich weiß, dass es an der Situation und nicht an uns liegt.
Die Perspektivlosigkeit ist das absolut schlimmste an der derzeitigen Situation. Wüsste man, dass es noch so und so viele Monate oder Jahre ginge, könnte man seine Kräfte einteilen und sich darauf freuen, wenn alles wieder normal wird. Ich glaube auch, dass manche weniger Perspektiven haben als andere. Bei meinem Freund bspw. geht der Arbeitsalltag regulär weiter. Klar finden jetzt alle Meetings digital statt, in seiner Karriere ist er aber nicht eingeschränkt. Bei mir hingegen ist nie klar, ob und wie Klausuren stattfinden können. Es wurden etliche Klausuren verlegt und spontan auf Formate gewechselt, mit denen weder der/die Prof. noch wir Studenten eine Ahnung hatten. Meine Laborpraktika wurden mehrmals verschoben und abgesagt, sodass es nun sogar zu einem Überlappen der Semester kommt, was mich ziemlich stresst (von 50% Auslastung auf 150% Auslastung). Die Universität ist seit einem Jahr für Studenten geschlossen und es werden uns zweiwöchentlich neue Entscheidungen und Maßnahmen des Rektorates vorgestellt.
Eigentlich haben wir im Herbst unsere Hochzeitsfeier geplant, die wir bereits um ein Jahr verlegt hatten. Wir glauben nicht daran, dass sich die Situation so schnell entspannt, weil immer wieder neue Mutationen entdeckt werden, die Impfungen extrem langsam laufen und die Zahlen trotz Maßnahmen überall steigen. In den Nachrichten liest man von Querdenkern, Korruptionsaffären der CDU, Kämpfe um die Nominierung als Kanzlerkandidat und viele andere schreckliche Dinge. Ich bin kein Verkünder der Fake-News, kein Querdenker und auch kein Corona-Leugner, allerdings denke ich, dass es momentan nicht förderlich ist, die Nachrichten zu lesen oder zu sehen. Alles was man dort aufnimmt ist überwiegend negativ - und wie sollen wir uns kritisch mit negativen Inhalten auseinandersetzen, wenn in unserem eigenen Leben bereits fast alles negativ ist? Dass wir dadurch noch pessimistischer werden, ist für mich nur logisch.
Wenn ein ganzes Jahr so den Bach herabgeht, fragt man sich schnell, ob das nicht ein total verschwendetes, verlorenes Jahr gewesen ist ... und die Pandemie ist längst noch nicht vorbei. Ich glaube, eine Methode, um mit der jetzigen Situation besser fertigzuwerden, wäre, sich selbst ein Ziel oder mehrere Ziele zu setzen. Was möchte ich in der restlichen Zeit Pandemie erreichen, damit die zurückliegende Zeit im Nachhinein nicht eine verlorene Zeit in meinem Leben geworden ist? Dabei denke ich vor allem an Sachen wie:
den harten Alkohol verbannen und ab sofort auf Bier/Wein zu wechseln
draußen im freien Sport machen (Laufen, Radfahren, Spazieren, im See schwimmen, Calisthenics, Freeletics, Yoga, LesMills-Konzepte)
auf ein Sixpack trainieren (Training/Ernährung)
Ernährung umstellen und bewusster Kochen
sich Bücher/Literatur raussuchen und lesen, von der man denkt, dass sie einen weiterbringen
sich in einem Handwerk ausprobieren (Fahrzeuge, Holz, Basteln, ...)
Ich weiß nicht, ob dir das weiterhilft, oder ob ich total an dir vorbeischreibe. Aber die Tatsache, dass es dir schlecht geht und du darüber schreibst, finde ich schon mal gut. Wenn wir uns anderen Menschen mitteilen, können wir selbst auch das Problem besser verstehen und greifen. Und das kann unter Umständen helfen, Strategien zu entwickeln, mit schweren Lebensphasen besser umzugehen und gestärkt daraus hervorzukommen.