Es stecken sehr viele Dinge in Deinem Post.
Die Zeit, in der ein Mensch einfach ein Mensch war ist leider vorbei.
Die Bedeutung, ein Mensch zu sein, hat mMn eine krasse Werteverschiebung erlebt. Ob Hetero oder Homo - junge Männer haben eines gemein: sie leben unter dem permanenten Druck "ungenügend" zu sein. Gerade in diesem Forum tritt diese Grundeinstellung sehr häufig - und vor allem bei Jüngeren - wider jede Vernunft zu Tage. Es genügt nicht einfach, ein Mensch, ein Mann zu sein; man muss aus der Menge heraus ragen. Um sich nicht all zu intensiv mit den Ursachen auseinander setzen zu müssen, wird dann "der Einfachheit halber" der Penis und seine vermeintlichen Unzulänglichkeiten in den Vordergrund gestellt.
Sexualität ist heute ein Geschlechterkampf und eine Leistungsschau geworden
Ich habe per PN hier hunderte Einzelgespräche geführt, in denen mir immer wieder die Angst begegnete, sowohl im Oberflächlichen, wie im Intimen zu versagen, eine Angst davor bewertet und abgelehnt zu werden. Der Penis ist zu klein für Umkleiden, Duschen, FKK; sogar zu klein um in den Jeans einen ordentlichen Abdruck zu hinterlassen. Jeder Außenstehende wird also nach einem kurzen Blick in den Schritt wissen, dass der Betreffende nicht den "heutigen Anforderungen" entspricht. Umso mehr natürlich muss ein eventueller Sexpartner (egal welchen Geschlechts) davon abgeschreckt oder enttäuscht sein, wie (normal) groß die Genitalien sind.
Der Penis ist dabei in den seltensten Fällen "die Ursache des Übels" sondern steht symbolisch (darüber definieren wir uns eben leicht als Mann) für die Verunsicherung, mit der manN versucht, fertig zu werden. Die ausufernde Pornographie und Mainstream "Recherchen", wonach Frauen 20cm Penisse bevorzugen, gießen da reichlich Öl ins Feuer.
Früher saß ich als junger Kerl in der Kneipe neben einem Mann mit über 60. Man(n) hat sich unterhalten;
Eine Beobachtung, die ich ebenso gemacht habe - aktuell in der sogenannten "Krise" sogar verstärkt - ist die Abgrenzung zu "den Alten." Persönlich habe ich zwar sowohl privat (nichtsexuell) als auch beruflich auch im Realleben eine gute Gesprächsbasis mit der jungen Generation, aber dass ich da eher eine Ausnahme als eine Regel darstelle, ist mir sehr bewusst. Die Mehrzahl der jungen Männer, die sich hier im Forum an mich wendet und ein Gespräch sucht, würden niemals "neben mir in der Kneipe sitzen und sich mit mir unterhalten." Ich will das aber nicht alleine aufs Alter schieben, denn in den Chats komme ich immer wieder zu der Frage: gute Freunde gibt´s nicht mehr? Immer mehr ziehen sich junge Menschen mit ihrer Verunsicherung in eine virtuelle Welt zurück (auch unser Forum ist nichts Anderes), da sie nur in der Anonymität glauben - wenn überhaupt - sich ihren Ängsten stellen zu können. Ich versuche, soweit es mir möglich ist, sie in die reale Welt zurück zu drängen und habe im Lauf der Jahre hier einige Erfolge mit erleben dürfen. Manchmal in kleinen Schritten, manchmal mit überraschend großen Sprüngen.
Als Dank dafür, dass "wir" früher, wobei ich bedeutend jünger als
@adrian61 bin, auf der Sttraße standen und für unsere Rechte demonstriert haben tritt uns die Generation, welche von unserem Einsatz heute profitiert im Grunde in den Arsch.
Dankbarkeit ist nichts, was sich Kämpfer für irgendwelche Rechte erwarten (sollten/dürfen), da Rechte schnell zur Selbstverständlichkeit werden. Aber egal, ob es um Feminismus, liberale Sexualität oder Homosexuellenrechte geht, beobachte ich oft mit Befremden, dass die heute junge Generation mit deren Meriten so überhaupt nichts anzufangen weiß. Und manchmal stelle ich mir die Frage: Dafür haben wir also gekämpft? Für eine Generation von dummen Weibern und verklemmten Jungs, die so gar nichts mehr miteinander anzufangen wissen?