Manche User zeigen sich überrascht über diesen Thread, weil er einem gewissen Bild, das wir über die jüngere Vergangenheit haben, so gar nicht entspricht, wissen wir doch um die Schamhaftigkeit unserer (Ur)Großeltern.
Wie viele andere Missverständnisse liegt auch das teilweise an der Verschlampung der Sprache; es besteht ein erheblicher Unterschied in der Bedeutung der Worte "Schamgefühl" und "Schamhaftigkeit" (zumindest gab es einmal einen solchen).
Schamgefühl hat mit der persönlichen Integrität und Ehre zu tun und dem Wissen, was der Situation angemessen ist und was nicht. Bezogen auf körperliche Nacktheit bedeutet das, dass sich Personen dann unwohl gefühlt hätten, wären sie in einer unpassenden Situation nackt gewesen, sie hätten sich dennoch nicht ihres Körpers geschämt, sondern eines Verstoßes gegen gültige Regeln. Dass - vor allem - Männer in vielen Situationen gemeinsam nackt waren, war eine Selbstverständlichkeit.
Heute beherrscht viel mehr die
Schamhaftigkeit den Alltag und ist im Grunde genommen mit "Zimperlichkeit" gleich zu setzen. Sie konzentriert sich vor allem auf die Sichtbarkeit der Genitalien und hat mit Moral und Ehrgefühl nichts zu tun, sondern reflektiert viel mehr einen Komplex. Grundsätzlich ist diese Haltung mittlerweile in unserer Gesellschaft weit verbreitet, lässt sich aber am besten am Beispiel junger Männer verdeutlichen, die offensichtlich panische Angst vor sichtbarer Nacktheit haben, aber gerne mit Sätzen, wie, "ich ficke Deine Mutter" herum prahlen. Der gerne strapazierte Begriff "Ehre" verkommt dabei zu einer Floskel. Ich möchte dezidiert darauf hinweisen, dass diese Einstellung nicht auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe beschränkt, aber bei dieser vielfach
eben deutlicher sichtbar ist.
Wie in vielen anderen Belangen auch, wird die Schamhaftigkeit früherer Generationen also an heutigen Parametern gemessen und dabei vorwiegend auf "wissenschaftliche Erkenntnisse und Untersuchungen" über Minderheiten zurück gegriffen. Man sollte aber dabei nicht vergessen, dass zu Siegmund Freud eben so viele Personen ohne sexuelle Probleme gingen, wie in eine moderne Sexualberatungsstelle. Dass Frauen ihre Sexualität bewusst auslebten, war bekannt, ebenso wie die weit verbreitete Homosexualität in Elite Colleges oder beim Militär. Wenn man Kinsey liest, denkt man auch nicht unbedingt an die "Prüderie" der 40er Jahre usw. Ohne ein rosa Bild einer vergangenen Zeit zeichnen zu wollen, die wie jede auch ihre Schattenseiten hatte, bin ich davon überzeugt, dass der Umgang mit Nacktheit und Sexualität vor 80/90 Jahren ein wesentlich unverkrampfterer und natürlicherer war, als das heute der Fall ist. Meiner Meinung nach liegt das auch daran, dass im Gegensatz zu heute Nacktheit nicht mit Sexualität gleich gesetzt wurde. Besonders die späten 50er und frühen 60er gelten aus heutiger Sicht als besonders spießig. Und decken sich - wenig überraschend - mit der Zeit der sexuellen Revolution und Liberalisierung der Pornographie. Heute wird von einer Ära der "neuen Keuschheit" gesprochen, was wiederum nichts anderes als eine Reaktion auf die Reizüberflutung sein dürfte.
Ohne "mein Leben dem Thema zu widmen" (meine Threads sind schließlich lediglich ein Hobby unter vielen, denen ich nur eine gewisse Zeit zumessen kann), bin ich im Lauf der letzten 1 1/2 Jahre seit meinem ersten Beitrag auf eine Fülle an Anschauungsmaterial gestoßen, die sogar mich überrascht hat. Mittlerweile habe ich aus diesen "prüden Zeiten" über 23.000 Bilder (vorwiegend Männer) archiviert. Da die Mann/Frau-Ratio bei Nacktaufnahmen seit Anbeginn bei etwa 1:10 liegt, kann sich jeder ausmalen, was an verborgenen Schätzen das Internet noch verbirgt.
Gemeinsam zu duschen war für Männer völlig normal. In vielen Fabriken und Firmen gab es Duschgelegenheiten für die Belegschaft ....
Beim YMCA und der Universität Yale (übrigens ein Bild aus dem TIME Life Magazine) war das nicht anders...
Viele Männer besaßen damals wohl nicht einmal eine Badehose.
Beim Militär wurden sie zumindest nicht damit versorgt und auf die Idee, die Unterhosen an zu behalten, kam offensichtlich kein Mann...
warum auch? Nackt zu schwimmen war die selbstverständlichste Sache der Welt und schaut mal genauer hin; versucht da auch nur ein Einziger, seinen Penis zu verstecken?
Sportteams waren ohnehin auf besondere Weise verbunden und hätte einer der Jungs besondere Schamhaftigkeit an den tag gelegt, hätte es seine Kollegen wohl sehr befremdet. Auch zusammen nackt abzuhängen und gemeinsam zu relaxen, war wohl keinem der damaligen Männer "zu schwul"...
Sport hat eben auch sehr viel mit Körperbewusstsein zu tun und ein erfolgreicher Sportler gab Interviews auch schon mal, bevor er wieder komplett angezogen war. Ebenso ließ sich der stolze Coach auch schon mal vor seiner splitternackten Mannschaft fotografieren. Seine Adjustierung mit Mütze und Pullover lässt ebenso wie die Penisse der Jungs darauf schließen, dass es nicht besonders warm war. So what? Keinen der jungen Männer scheint das zu kümmern...
... beim Militär gab es dann ohnehin vom Tag der Rekrutierung an keinen Platz für Zimperlichkeit. Unterschiede zwischen Deutschen, Briten, Amis und Russen gibt es bei solchen Bildern eigentlich keine...
... und wer nun vielleicht einwenden möchte, das wäre alles im Verborgenen vor sich gegangen, sieht sich am besten erst mal Bilder aus dem TIME Magazine an: egal ob College-Schwimmen, die Betreuung von Sportlern durch Coachs und Funktionäre oder Desinfektionsmaßnahmen und Duschen beim Militär, die interessierte Leserschaft bekam reichlich nackte Männer zu sehen.
Ich glaube nicht daran, dass die Gesellschaft damals extrem prüde war; im Gegensatz zu heute allerdings war sie nicht so übersexualisiert, um beim Anblick eines Penis sofort "nur mehr an das Eine" denken zu können. Vielleicht ist es mir gelungen, damit zu erklären, warum ich so einen reichen Vorrat an nackten Männern aus der Vergangenheit zusammen tragen konnte.